Sie lächelt. Die Haut ist so zart, so weich. Das kleine Gesicht wirkt wie aus Porzellan. Die junge Mutter sieht das kleine Würmchen immer wieder an. Sie berührt die kleinen Finger, fährt dem kleinen Wurm über das Gesicht. Es riecht gut, so richtig nach Baby. Die Mutter liebt es, ein froher Schauer durchfährt ihren Körper, Tränen rinnen über ihr Gesicht. Sie wiegt den kleinen Wurm hin und her und ist für einige Momente glücklich.
Der Vater, ihr Exfreund ist abgehauen, als er hörte, dass sie schwanger ist. Ihren Job hat sie kurz davor verloren. Ihr Exmann hat ihr 56.000 Euro Schulden hinterlassen, er war ein Spieler und sie hatte immer wieder gebürgt. Ihre Miete hat sie seit 3 Monaten nicht bezahlt, ihr Vermieter droht sie zu delogieren. Sie wurde mehrfach gepfändet, sie hat nur das Notwendigste. Eine Woche vor der Geburt hat sie ihren Kühlschrank verkauft, um Windeln zu kaufen.
Sie geht oft zur Ausspeisung, da ist das Essen billig. In der Kleiderkammer bekam sie Kleidung für ihr Baby, die Ausstattung des Kinderzimmers, hat die Caritas bezahlt.
Die junge Mutter seufzt und ist froh, dass sie das Baby stillen kann, denn Milchpulver ist teuer für sie.
Sie hat niemanden, nur die Nachbarin. Ihre Mutter trinkt, ihr Vater ist tot. Wenn die Nachbarin von der Arbeit kommt, werden sie zusammen kochen, es gibt Rinderhackbraten, das Wasser läuft ihr im Mund zusammen. Stolz sieht die junge Frau ihr Werk an, sie hat einige Kleidungsstücke geflickt für ihre Nachbarin, es ist schön geworden. Sie hat Milch abgepumpt. Ihre kleine Tochter wird heute bei der Nachbarin schlafen, damit sie einmal ausschlafen kann. Sie überlegt seit Stunden, ob das wirklich so eine gute Idee ist. Der Gedanke ein ausgiebiges Bad zu nehmen und sich danach ins Bett zu kuscheln für eine ganze Nacht, nach einem leckeren Rinderhackbraten, erleichtert ihr die Entscheidung.
Abends, als sie sich verabschiedet hat von ihrem Baby, liegt sie dann im Lavendelbad und fühlt sich wie eine Königin. Immer wieder kühlt das Wasser aus und sie füllt heißes Wasser nach, um diesen Moment genießen zu können. Danach schlüpft sie in ihr Bett und schläft, 10 Stunden, herrlichster Schlaf. Sie fühlt sich großartig und fast im Laufschritt flitzt sie morgens zur Nachbarin und wird von 5 aufgeweckten Kindern empfangen. Ihr Baby ist gut gelaunt und ausgeschlafen. Die junge Mama nimmt ihren Zwerg und die Sachen, lächelt die Nachbarin an und gibt ihr einen Kuss auf die Wange. Eine Träne läuft über ihre Wange und sie geht wieder in ihr Reich, 1,5 Zimmer, Küche, Bad und WC am Gang. Zurück in ihren Alptraum stolpert sie, dennoch sie ist trotzdem glücklich.
Sie ist meine Nachbarin vom Haus vis á vis, ein schlankes, zartes, liebevolles Wesen. Man hat den Eindruck, niemand könnte ihr Böses tun und dennoch ist sie gebeutelt vom Schicksal. Ich habe selten eine Mutter gesehen, die so sehr liebt. Ich bewundere sie.